Einstieg in den Fortbildungsdschungel der Physiotherapie
Ein Alumni Report von Marie Stroetmann (B.Sc.)
Im ersten Alumni Report hat Philipp Kornadt (B.Eng.) darüber geschrieben, wie der Weg zum eingetragenen Architekten aussieht. Diesmal berichte ich, wie es nach dem Bachelorstudiengang in der Physiotherapie weitergehen kann. Es stehen verschiedene Wege zur Auswahl, ich werde mich jedoch auf den „klassischen“ Weg als PhysiotherapeutIn in einer medizinischen Einrichtung beziehen mit der Frage aller Fragen, die jede/r TherapeutIn kennt: Welche Fortbildungen möchte ich eigentlich machen? In welche Richtung möchte ich mich spezialisieren oder weiterbilden?
Mein Name ist Marie Stroetmann und ich habe im Jahr 2018 den Bachelorstudiengang Physiotherapie dual abgeschlossen. Bereits im vierten Studienjahr habe ich im Rahmen des Moduls „Manuelle Therapie“ die Zertifikatsweiterbildung in der Manuellen Therapie begonnen und im letzten Jahr erfolgreich abgeschlossen. Außerdem habe ich einen Grund- und Aufbaukurs der Kiefergelenksbehandlung (CMD) besucht. Im letzten Jahr habe ich außerdem begonnen, mich in der Handtherapie weiterzubilden, da ich im Laufe der letzten Jahre mehr und mehr Bezug und Interesse für dieses Behandlungsspektrum entwickelt habe.
Die größte Motivation bei der Entscheidung für eine Fortbildung stellt in erster Linie das persönliche Interesse der therapeutischen Weiterentwicklung dar. Im Rahmen des Studiums entwickelt sich häufig eine erste Präferenz des Behandlungsschwerpunktes. Als BerufsanfängerIn möchte man seine Grundlagen gerne zügig erweitern um mehr und mehr Sicherheit zu erlangen und sein Wissen für die Behandlung der PatientInnen erweitern.
Die Spezialisierung ist zum einen möglich für Behandlungstechniken wie z.B. die Manuelle Therapie, bei der die Untersuchung und Behandlung muskuloskelettaler Beschwerden (die Muskulatur und das Skelett betreffend) vertieft wird und die Beurteilung des Beschwerdebildes und dessen Behandlung durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden kann. Diese Fortbildung ist weit verbreitet und bietet eine sehr gute Grundlage im Bereich der Orthopädie, Chirurgie und Rehabilitation des Bewegungssystems.
Bestimmte Fortbildungen sind auch Voraussetzung, um sich auf eine besondere Arbeitsstelle zu bewerben. Denn die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit neurologischen Erkrankungen ist komplex und bedarf ein besonderes Wissen über die Krankheitsbilder und Behandlungsmöglichkeiten, die über das Studium hinaus nötig sind. Die gängigste Fortbildung ist hierbei die Bobath-Therapie, die es für Kinder und Erwachsene gibt. Weitere Kurse sind die Vojtatherapie oder das PNF-Konzept.
Andere Fortbildungen dienen der Spezialisierung auf bestimmte Körperbereiche, wie z.B. die Handtherapie. Hier werden alle Aspekte rund um die menschliche Hand thematisiert. Welche Krankheitsbilder und Verletzungen gibt es? Wie werden diese versorgt? Wie messe ich überhaupt die Handfunktion und welche Techniken nutze ich, damit ich meine PatientInnen für eine optimale Handfunktion und Alltagsfähigkeit begleiten kann?
Nicht nur das inhaltliche Wissen der Fortbildungen der o.g. Bereiche sind relevant für den Arbeitsalltag. Denn die Leistungen wie „Manuelle Therapie“, „KG-ZNS nach Bobath für Erwachsene“, „KG-ZNS nach Bobath für Kinder“ oder auch die „manuelle Lymphdrainage“ dürfen nur von TherapeutInnen durchgeführt werden, die die Fortbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Diese sog. Zertifikatsweiterbildungen sind nötig um die Behandlungen mit den Krankenkassen also Kostenträgern der Therapie abrechnen zu können. Daher wünschen sich ArbeitgeberInnen, dass eine der erwähnten Fortbildung bereits absolviert wurde oder das Interesse einer Teilnahme besteht.
Fortbildungen sind jedoch in jeder Phase des Berufslebens möglich und sinnvoll, da die Physiotherapie sich laufend weiterentwickelt und sich aus der Forschung weitere Ansätze und Erkenntnisse ergeben. Der Austausch mit KollegInnen außerhalb des Arbeitsumfeldes tragen ebenfalls dazu bei, dass die eigene Arbeit reflektiert wird und eine evidenzbasierte Behandlung auf möglichst aktuellem Stand umgesetzt werden kann. Für erfahrene KollegInnen gibt es Refresher-Kurse, die das bekannte Wissen bereits absolvierter Weiterbildungen wiederholen, neue Aspekte zu ergänzen und zu vermeiden nur an der eigenen „therapeutischen Tradition“ festzuhalten. Im Rahmen des Qualitätsmanagements der physiotherapeutischen Einrichtung trägt auch die therapeutische Fortbildung zur Sicherung der Qualität bei. Eine Fortbildungspflicht besteht jedoch nur für PraxisinhaberInnen. Diese müssen in einem Zeitraum eine bestimmte Anzahl an Fortbildungspunkten nachweisen. Das Thema und der Fachbereich können frei gewählt werden.
Ist die Frage nach dem Interesse, der Fachrichtung und des Konzeptes einmal geklärt, steht die nächste Herausforderung bevor. Bei welchem Anbieter, welchem Standort oder auch bei welchem Dozenten möchte ich die Fortbildung absolvieren? Viele der Angebote können bei verschiedensten Fortbildungsinstituten besucht werden, die deutschlandweit Standorte betreiben. Die Qualität der Angebote kann sehr unterschiedlich ausfallen. Ein gutes Marketingkonzept muss nicht bedeuten, dass die Inhalte und Didaktik des Anbieters hochwertig sind. In diesem Fall helfen eine gründliche Recherche und der Austausch mit KollegInnen nach ihren Erfahrungen. Aber wer kennt es nicht; man fragt 4 Personen und erhält 5 Meinungen, sodass Dir die Entscheidung nicht abgenommen werden kann.
Zu guter Letzt möchte ich die nötigen Investitionen für Fortbildungen aufgreifen. Diese bestehen aus Geld, Zeit und Energie.
Grundsätzlich werden die Fortbildungen durch TherapeutInnen selbst finanziert. Viele ArbeitgeberInnen unterstützen das Vorhaben durch anteilige oder vollständige Kostenübernahme einzelner Kursteile oder der gesamten Ausbildung. Dies hängt vom Bedarf in der Praxis der Qualifikation ab, finanziellen Möglichkeiten und den Kosten der Teilnahme. Neben der Kursgebühr fallen häufig Kosten für die Unterkunft am Veranstaltungsort, Fahrtkosten, Verpflegung und zusätzliches Material an. Die Kosten für die Fortbildung „Manuelle Therapie“ betrugen übrigens etwa 4000€ allein für die Kursgebühren. Der Vorteil daran ist, dass Vieles bei der Steuererklärung abgesetzt werden kann. Zur finanziellen Unterstützung gibt es wie Bildungsgutscheine oder andere Fördermittel, die bei der Agentur für Arbeit beantragt werden können. Nach Abschluss einer Fortbildung kann die Gehaltsverhandlung positiv beeinflusst werden, da durch die absolvierten Kurse ein therapeutischer Mehrwert entsteht und, wie bereits erwähnt, in einigen Fällen die Einnahmen für die Praxis steigen.
Die meisten Fortbildungen, die über mehrere Tage stattfinden schließen das Wochenende mit ein, sodass die erholsame Zeit nach einer vollen und körperlich anstrengenden Arbeitswoche ab und an eine Woche mehr auf sich warten lässt. Weiterhin reichen die fünf (Fort-)bildungstage bei Kursen aus mehreren Blöcken nicht aus, sodass der Erholungsurlaub (25-30 Tage) in die Fortbildung einfließt, Überstunden genommen werden oder unbezahlter Urlaub gewährt werden.
Im Großen Und Ganzen muss ein Fortbildungsplan gut durchdacht sein, sodass der therapeutische Mehrwert sich letztendlich auszahlt und die finanziellen und zeitlichen Faktoren lohnenswert sind. Mit etwas Köpfchen, findet jede/r TherapeutIn den richtigen Weg, der nicht schnurgeradeaus sein muss, sondern Abzweigungen und Brücken zulässt.